Heike Ollertz & Edgar Herbst – Island
Island ist nicht nur eine Insel im hohen Norden, mit wilder Natur und bewohnt von Menschen, die direkt am Polarkreis von langen Sommernächten und kalten Wintermonaten geprägt sind. Sondern sie ist die größte Vulkaninsel der Welt, genau auf dem Mittelatlantischen Rücken gelegen, und sie wächst mit bis zu zwei Zentimetern im Jahr. Durch den Aufstrom von heißem Gestein aus dem Erdinnern erhalten die auseinanderdriftenden Kontinentalplatten der Insel Nachschub. Islands Erde lebt und bebt und spritzt und kocht und ist dennoch zu über zehn Prozent mit Eis bedeckt. Die baumlosen Ebenen und Gebirge sind dem Ursprung der Erde ganz nah. Wild wäre eine Untertreibung. Hier fühlt und sieht man das Inferno, aus dem die Welt entstand, der ewige Wind fegt über ein Panoptikum an Sinneseindrücken wie bei „Jurassic Park“, nur ohne Dinosaurier. Dafür mit Menschen, die in diesem Umfeld gelernt haben zu überleben. Fast alle zusammen- gedrängt in der Hauptstadt Reykjavík. Ansonsten finden wir durchschnittlich nur zwei bis vier Häuser auf 40 Quadratkilometern. Diesem Land, das wie kein zweites ist, wünschte ich mir genau so fotografisch zu begegnen: Einerseits sollte die grandiose Natur dargestellt werden und wie die Menschen mit ihr leben, andererseits sollten ebendiese Bewohner in ihrem Wesen gezeigt werden.
Kaum jemand versteht es besser, mit einer schweren Mittelformatkamera Tag und Nacht, im Winter wie im Sommer, bei Regen und bei Schneesturm mit großer Geduld für das richtige Licht und perfekte Schärfe Landschaften, Häuser oder Häfen zu fotografieren als Heike Ollertz. Nicht nur mit ihrem ersten Bildband bei mare, „Irland“, sondern auch in vielen weiteren Bildreportagen bewies sie den souveränen Umgang mit ihrer handgefertigten Alpa mit deren 6 x 9 Zentimetern Negativgröße. Die analoge Fotografie garantiert zudem echte Farben und ungekünstelte Stimmungen. Island braucht keine Bildbearbeitung.
Beide Fotografen reisten mehr als sechs Monate durch Island: Ollertz mit Allradwagen und in wackligen Booten, um im richtigen Augenblick die Eisberge vor der Aurora Borealis, dem Nordlicht, festzuhalten; Herbst im Wohnmobil von Hochzeit zu Musikfest, von der Disco zum einsamen Fischer. Immer auf der Suche.
Die vermeintliche Einöde, in der kaum Bäume und Sträucher existieren, ist in Wahrheit ein Kaleidoskop an Farben und Formen.
Nikolaus Gelpke, Verleger